Heute war ich in Hannover. Beim Generalkonvent dieses Sprengels der hannoverschen Landeskirche sollte ich sagen, was ich besser weiß. Gut 300 Pfarrerinnen und Pfarrer kamen dort zusammen zum Frühstück in der Marktkirche. Meine Notizen für die knappen 10 Minuten, mit allen Rechtschreibfehlern und Unvollständigkeiten:
Vorbemerkungen
- Normalerweise werden Tischreden ja in Reimen vorgetragen, das erspar ich Ihnen und mir heute mal
- Ich wünschte, ich wüsste alles besser. Dann würde ich ihnen sagen: Machen sie dies, das.
- Die Wahrheit ist: ich bin nicht Paulus. Ich kann nicht voller Inbrunst sagen: „Ich wünschte, alle wären wie ich“
- Ich bin ein Fan von dieser Idee, dem Jahr der Freiräume, das hier in Hannover auf sie alle wartet
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Beerdigung Opa
- Vor ein paar Jahren ist mein Opa gestorben. An seine Beerdigung musste ich denken, als ich mich für heute vorbereitet habe. Sie war eine der besten Erfahrungen mit Kirche, die ich gemacht habe.
- Weil sie mich versöhnt hat
- Weil sie mir diesen Mann, der mir so fremd und unheimlich war, von seiner guten Seite gezeigt hat
- Weil eine Pfarrerin, die ihn offenbar anders kannte als ich, seine andere Seite hervorgehoben hat
- Weil sie mir half, ihn gehen zu lassen.
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Kirche
- Sonntag war ich mal wieder im Gottesdienst. Ich gehe nicht oft, ich würde gerne öfter.
- Aber es fühlt sich – ehrlich gesagt – an, als würde ich das sprichwörtliche tote Pferd reiten
- Da ist kein Leben mehr in der Kirche, nur noch ein paar vereinzelte, die um ihren Totem herumstehen. Sie beerdigen ihre Toten noch nicht mal mehr
- Da ist Platz für 800 und im schlimmsten Fall kommen nur 8. inklusive Pfarrerin und Kantor.
- Am Ort kann es nicht liegen: die Kirche liegt mitten in Schöneberg und hat quasi einen eigenen Ubahn-Anschluss.
- Zehntausende gehen hier täglich lang, Dutzende sitzen abends vor, neben und um die Kirche herum, essen Eis (das beste Berlins), trinken Bier, machen Fotos von ihrem Backsteinturm. Gegenüber hatte jemand die fantastische Idee, ein Café „Gottlob“ zu nennen. Spoiler: die Kirche war es nicht.
- Mich schmerzt dieser Anblick. Es tut mir körperlich weh das mitansehen zu müssen und auch noch Teil davon zu sein. Immerhin ist es ja parochial gesehen meine Gemeinde. Aber wie gesagt: ich weiß es doch auch nicht besser.
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Profis des Sterbenlassens
- Wen ich auch frage, allen ist alles zu viel. Die Arbeit, die Welt.
- Ich wünschte, Sie wüssten es besser! Aber Ihnen ist sicher auch alles zu viel. Sie alle haben zu volle Wochen, zu volle Kalender.
- Deshalb: bitte fangen Siw an, ihre Toten zu beerdigen, all die Toten Projekte. Sie sind die Profis fürs Lebewohl.
- Finden sie mit ihrer Gemeinde oder wo sie gerade sind, die toten Pferde. Und dann helfen sie einander darüber hinweg.
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Und dann tragen sie ihre Erfahrungen zusammen, am liebsten Open Source oder als App.
- Vielleicht eine App, die Ihnen und mir dabei hilft, Balast loszuwerden, unnötige Aufgaben von den nötigen zu unterscheiden, neue Projekte erst gar nicht anzufangen.
- entwerfen Sie für uns alle eine Theologie des Lebewohl
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Wettbewerb des Beerdigens
- Ich rufe einen Wettbewerb des Aufhörens aus. Schreiben sie mir, was sie fortan gut sein lassen – und ich schreibe darüber.
- Und ums konkret zu machen und auf die Gefahr hin, dass mich nie wieder irgendwer einlädt: der Hauptpreis liegt beim Gottesdienst am Sonntagmorgen.
Daniel sagte am 24. Mai 2018
„Bewährtes fortführen“, so stand es zumindest früher in zahllosen Stellenausschreibungen für Pfarrerinnen und Pfarrer. Ich habe mich immer wieder gefragt, woran „bewährt“ gemessen wird. Tatsächlich habe ich als Mitarbeiter der Jugendarbeit meiner Gemeinde ein bestimmtes Angebot auch erst dann „sterben“ lassen, als noch drei Personen kamen. Eine davon war ich.
Insofern: Wir brauchen Mut zum Aufhören.
Christiane Quincke sagte am 9. Juni 2018
Lieber Hannes Leitlein,
Ihre „Thesen“ finde ich so inspirierend, dass ich sie gerne in meinem Pfarrkonvent in Pforzheim besprechen würde. Falls Ihnen also jemand aus Pforzheim schreibt, denken Sie an den Gottesdienst 😉
Danke für das Weiterdenken. Ich bin da dran…